Wie lassen sich 100 Millionen Flüchtende zählen? Der UNHCR-Statistiker Tarek Abou-Chabake über seinen Versuch, das Leid der Welt in Zahlen zu messen.
Menschen im Kongo flohen im Mai vor Kämpfen zwischen Streitkräften und M23-Rebellen Foto: Moses Sawasawa/ap
Wie hoch ist die Dunkelziffer, etwa von Menschen im Transit in Libyen oder großen Fluchtbewegungen in schwer zugänglichen Regionen Afrikas? Es gibt diese beiden Effekte, aber beide sind nicht exakt quantifizierbar. Die Datenaufbereitung hat sich in den letzten zehn Jahren stark verbessert, es gibt bessere Technologien zur Erfassung. Gleichzeitig hat die Zahl der Konflikte zugenommen. Heute leben nach einer Schätzung der Weltbank 850 Millionen Menschen in 23 Ländern mit hoher oder mittlerer Intensität an Konflikten.
In der EU sind die Regierungen für die meisten Zahlen verantwortlich. Wir erheben die nicht selbst, sondern verlassen uns dabei etwa auf polnische Behörden, auch bei den Flüchtlingen aus der Ukraine. Wir gehen aber davon aus, dass diese Zahlen belastbar sind. In Deutschland etwa erhalten Flüchtlinge nach der Anerkennung eine Aufenthaltserlaubnis und können später festere Aufenthaltstitel bis hin zur Einbürgerung bekommen. Wie lange zählen Sie jemanden dann noch als Flüchtling?
Nein, die Zahl ist eine Schätzung auf Basis der Registrierungsdaten. Wir gehen davon aus, dass Flüchtlinge speziellen Schutz erhalten und dazu umgesiedelt werden sollten, wenn etwa starke Traumata vorliegen. Die Zahl jener, die tatsächlich einen solchen Platz bekommen, ist leider extrem gering, das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben 2021 rund 63.200 Anträge auf Umsiedlung an mögliche Aufnahmeländer gestellt.