CSD und Pride-Paraden sind heute Megapartys mit Spaßgarantie. Und sie bleiben Orte für Selbstfindung – auch auf dem Weg vom Dorf in die Großstadt.
Ein Artikel vonEin Lied, das schon mal eine Richtung vorgibt: Mother will never understand why you had to leave / But the answers you seek will never be found at home / The love that you need will never be found at home.Diese Zeilen stammen aus einem Lied, das für viele schwule Männer aus der Babyboomer-Generation – so wie mich – enorm wichtig war .
Es sollte Berlin sein, wohin sonst? Die schwule Szene, so groß und vielfältig und bunt wie in sonst kaum einer deutschen Großstadt lockte – natürlich auch die Aussicht, endlich auf Gleichgesinnte zu treffen, und klar, auch die Verheißungen der Anonymität. Bloß raus aus der sozial kontrollierten Enge.
Aber wer hat jetzt den Größten? Der CSD in Berlin gilt als einer der größten seiner Art in Europa. Okay, es gibt seit Jahren eine Art realisierenden Wettbewerb, wer die größte Parade in Deutschland veranstaltet: Köln oder Berlin. Und ist es nicht wunderbar, dass es zu solchen harmlos nebensächlichen Debatten kommen kann?
Die diesjährige Parade am 23. Juli wird erstmals nach zwei Jahren Pandemie wieder ohne größere Einschränkungen stattfinden: gleich mehrere Jahrgänge, die jetzt endlich zu ihrer allerersten richten Pride-Parade gehen können. Das Motto – die Findung war viele Jahre ein Politikum – leuchtet in diesen Zeiten ein: „United in LOVE! Gegen Hass, Krieg und Diskriminierung“. Der veranstaltende CSD Berlin e. V. erwartet 500.
So ein CSD kann Glückshormone freisetzen. Wer einmal im Strom der Hunderttausenden mitgelaufen ist, kann erahnen, warum: Die schiere Masse lässt das Herz höher schlagen. „Du bist nicht allein“, lautet die so einfache wie tröstliche Botschaft so einer Massenparade. Ein manifestes Zeichen von Stärke, Zusammenhalt und Gemeinsinn. Hier macht das abgenutzte Wort von „der Community“ einen Sinn.
Auch zur Marzahn-Pride ein paar Tage zuvor stand in diesem Jahr die Solidarität mit der Ukraine im Mittelpunkt, organisiert vom Quarteera e. V., einem Verein für russischsprachige LGBTIQ* in Deutschland. Am Sonntag, dem 17. Juli, fand außerdem der Anarchistische CSD statt. „Mehr als nur safe spaces: wir wollen die Welt!“ war das Motto. Statt Parade gab es eine lange Kundgebung am Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg mit politischen Redebeiträgen und Performances und Musik: „Für einen gemeinsamen, intersektionalen und grenzenlosen antikolonialen Kampf gegen Staat, Eliten und Regierungen“, hieß es auf der Webseite des Anarchistischen CSD.
Politik wieder in den Fokus rücken Tja, und der Berliner CSD? Auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des Events wurde vom Vorstand des Berliner CSD e. V. betont, dass die politische Dimension des CSD wieder mehr in den Fokus rücken soll – was erfreulich ist. Etliche Jahre zuvor gab es immer wieder hitzige Debatten darüber, ob der CSD nicht zu kommerziell und damit zu unpolitisch – und ja: auch überflüssig geworden ist.
Beinahe wäre der inzwischen schon 44. CSD Berlin am 23. Juli um 11.30 Uhr in Anwesenheit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey eröffnet worden. Aber auch wenn sie sich wegen eines positiven Coronatests vom linken Kultursenator Klaus Lederer vertreten lässt, ist die Botschaft klar: Das offizielle Berlin ist queerfreundlich. Schon vor zwei Wochen hatte Giffey so medienwirksam wie symbolträchtig die Regenbogenfahne vor dem Roten Rathaus gehisst.
Die folgende Aufzählung aber auch: denn in der Bundesrepublik ist es umstandslos möglich, für queere Belange auf die Straße zu gehen. Was mit starrem Blick auf die Metropolen wie Köln, Hamburg, München und eben Berlin und ihre großen queeren Szenen und CSDs aus dem Blickwinkel gerät: In ganz Deutschland finden CSDs statt, in vielen kleineren Großstädten und auch Kleinstädten.
Die Dorfpride sei wie der CSD in einer Großstadt – nur in klein, hat Patrick Alberti, Mitglied der Initiative Dorfpride, dem Deutschlandfunk Nova erzählt. Die Menschen in den Dörfern hätten ihre Einfahrten geschmückt, Bierbänke entlang der Kundgebungsroute aufgestellt und sich auf den Tag vorbereitet. Auch die Vereine der Orte ziehen mit. „Am Ende ist es so, dass das ganze Dorf mit uns mitfeiert.
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